Mädchenarbeit an der Adolf-Reichwein-Schule

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Thema InklusionSchuleSchulsozialarbeit

von Barbara Brecht-Hadraschek

Mädchenarbeit hat einen wichtigen Platz im Schulleben der Adolf-Reichwein-Schule, einem sonderpädagogischen Förderzentrum für Lernen mitten in Neukölln. Neben einer offenen Gruppe für Mädchen ab den 7. (-10.) Klassen gibt es auch eine feste Mädchengruppe für die Siebtklässlerinnen. Betreut wird die Gruppe von Kristina Becker, die als Schulsozialarbeiterin seit vier Jahren für die tandem BTL an der Adolf-Reichwein-Schule arbeitet.

Jeden Montag in der sechsten Stunde treffen sich sechs Mädchen aus zwei Klassen im „Time-Out-Raum“ mit Kristina Becker.  Ein Ort, der den Kindern auch zu anderen Uhrzeiten als Rückzugs- und Ruheort zur Verfügung steht.

An einem der Montage bin ich zu Besuch. Fünf Mädchen sind schon da, begrüßen mich, fragen neugierig, wer ich bin und was ich mache. Gemeinsam mit Kristina Becker richten sie die Tassen und schenken sich und mir Tee ein.  Es wird viel rumgealbert und gelacht, bis sich alle ihrer Schulsozialarbeiterin zuwenden. Diese hat auf einem Tisch Karten verstreut, die unterschiedliche Motive zeigen: Eine erschöpfter Sportler, eine Kind, das neugierig um die Ecke schaut, eine Frau, die sich in eine Decke kuschelt.  Als Einstieg bittet sie die Mädchen, sich eine Karte zu nehmen, die zu ihrer momentanen Stimmung passt und etwas dazu zu sagen. Keine muss, jede darf etwas sagen, das ist die Regel.  Reihum erzählen die Mädchen, was sie gerade beschäftigt und wie sie sich fühlen. Ein Mädchen fühlt sich hin- und hergerissen zwischen zwei streitenden Freundinnen. Ein Thema, das später noch ausführlicher besprochen wird. Ein anderes platzt damit heraus, dass ein Junge sie gefragt hat, ob sie schon schwanger werden könne. 

Kristina Becker fragt nach: Wolltest du das gefragt werden? Das Mädchen schüttelt den Kopf. „Und du musst das auch nicht beantworten,“ sagt Kristina Becker. Es entspinnt sich ein Gespräch darüber, was man von wem gefragt werden möchte und was nicht. Kristina Becker hakt auch nach: „Ihr wisst ja, ab wann ein Mädchen schwanger werden kann, oder?“ Die Mädchen kichern. Ja, sobald sie ihre erste Regel bekommen hat. Kurz vorher auch schon. „Erdbeerwoche“, „Kirschwoche“ rufen sie durcheinander. Für die Mädchen ist hier ein geschützter Ort, an dem sie ohne Scheu über für sie so heikle Themen sprechen, Fragen stellen können.

Vielfältige Themen rund um die Pubertät

In der Mädchenarbeit geht es bei aller Vielfalt der Themen immer auch darum, Grenzen wahrzunehmen und die herausfordernde Phase der Pubertät mit all ihren Facetten zu begleiten. In den Stunden dreht sich alles um Konflikte, Verliebt sein, Körpergefühl, Freundschaft, Pubertät, Rollenbilder, Grenzen setzen. Die Themen sind mit den Mädchen gemeinsam ausgewählt. „Anfang des Schuljahres haben wir Themen gesammelt und geclustert, die sie im Schuljahr besprechen wollen,“ erzählt Kristina Becker.

Selbstbewusstsein stärken. Nein-Sagen üben.

 „Ich möchte Impulse setzen, das Selbstbewusstsein der Mädchen stärken, an Rollenbilder arbeiten. Das Nein-Sagen üben ist ein ganz wichtiger Teil unserer gemeinsamen Zeit hier. Das verändert auch etwas. Denn ganz oft ist es so, dass etwas passiert, was den Mädchen nicht recht ist – und sie haben noch keine Ideen, wie sie aus der Situation aussteigen können. Über solche Themen können wir hier reden – und wir können es üben. Zum Beispiel haben wir ein Spiel zum „Nein-Sagen“. Jedes Mädchen hat im Raum einmal laut „Nein!“ gebrüllt und alle anderen mussten dann stehen bleiben. So lernen sie, dass das Wort „Nein“ Kraft hat.“

Für Kristina Becker ist Mädchenarbeit einer der Schwerpunkte als Schulsozialarbeiterin hier. „Ich liebe das total. Ich finde es unglaublich wichtig, den Raum zu geben, um zu wachsen, um Fragen zu stellen, ohne ausgelacht zu werden, Rollenbilder zu hinterfragen.“


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